Stralsund=>Hanko=>Sassnitz – 1000sm solo nonstop Qualifier

ClasseMini Transat Qualifier auf der Ostsee

Nachdem ich 2012 schon mal einen Qualifierversuch in der irischen See sowie der Biskaya gemacht und leider nach ca 750sm abgebrochen hatte, wollte ich es nun doch noch mal wissen und die letzte Hürde vor einer Transat Teilnahme überspringen. Da ich dieses Jahr aus diversen Gründen das Boot nur in der Ostsee segeln kann, kam nur eine Runde zwischen Finnland und Deutschland in Frage und ClasseMini stimmte der Route (siehe Bild) zu.

Ostsee Qualifier Route

Jetzt ging es nur noch um ein halbwegs geeignetes Zeitfenster, wozu sich eigentlich nur die 1..2 Wochen nach der Regatta RundRügen anboten. Gesagt getan, habe ich die Wetterentwicklung dieser Woche beobachtet, mir einen Backup-Kartensatz geliehen – vielen Dank an Markus -, Essen gekauft sowie nach der Regatta das Schiff in den Langfahrtzustand (Wasser, Lebensmittel, Methanol etc.) versetzt. Leider war die wetterentwicklung sehr unsicher doch … erst mal los fahren. Extremwetter war ja nicht angesagt und eigentlich war es auch ganz brauchbar.

Tag 1

Nach dem sonntäglichen Frühstück ging es durch die Stralsunder Brücke und um 09:30 wurde der Motor abgebaut und es ging bei schönstem Wetter mit Wind um 10kn aus W/NW los.

Start_Stralsund

Start in Stralsund – Im Hintergrund die Werft

Recht schnell passierte ich unter Spi den Strelasund sowie den Greifswalder Bodden und bereits um 18:00 hatte ich Rügen gerundet. Damit schlief der Wind auch erst mal ein und die erste Badepause wurde eingelegt. Irgendwann am Abend kam der Wind zurück und es ging weiter unter Spi in Richtung Bornholm.

Tag-1-Abend

Rügen im Rücken am Abend des 1. Tages

Tag 2

Bornholm hatte ich am Morgen – immer noch unter Spi bereits hinter mir gelassen, als ich auf dem AIS die ersten Marineschiffe sah und kurz danach tönte auch aus dem Funkgerät das dreifache Securite „This is warship …“ womit die Meldung kam, dass kurzfristig ein Sperrgebiet (der Ukraine-Krise sei Dank) östlich Bornholms eingerichtet wurde. Nach dem Eintragen der Koordinaten war mir klar, dass ich leider einen größeren Umweg am Wind nach Süden würde machen müssen, um das Schiessgebiet zu umfahren.

tag2

Tag 2 – mit der Umfahrung des Schießgebietes

Gegen Mittag war dies dann geschafft und ich konnte unter Spi wieder Kurs auf die Südspitze von Öland nehmen. Irgendwann drehte dann der Wind ein wenig und beim Setzen des Code0 entdeckte ich einen Riss im Achterliek der wohl – wie auch ein später entdeckter Schaden in der Mitte noch von RundRügen herrührte. Die leichten Bedingungen erlaubten eine schnelle Reparatur aber der Wind kam inzwischen von vorn und so blieb das Segel vorläufig im Sack.

Tag 3

An der Südspitze von Öland war ich – der Wind hatte nach neuerlicher Flaute wieder auf angenehme TWA >100Grad gedreht – am folgenden Morgen angekommen und der nächste Wegpunkt – die Südspitze von Gotland – wurde angepeilt. Kurz vor dem VTG vor Gotland schlief der Wind erst komplett ein und kam dann mit <4kn direkt von hinten zurück. Um nicht im VTG zu verhungern, machte ich kurz vor diesem einen kurzen Schlag rechtwinklig zum VTG in Richtung Gotland, wo ich das einzige Mal auf der gesamten Reise einen Frachter bitten musste, doch hinter mir vorbei zu fahren.

Im weiteren Verlauf des Tages auf dem Weg an Gotlands Ostküste entlang blieb der Wind – entgegen der Vorhersage auf SW und nahm auch stetig zu, so dass ich unter großem Spi, Fock und Groß an der einzigen Segelyacht für die gesamte weitere Reise vorbeiflog.

Tag3

Tag3 – Öland=>Gotland

 

spi_east_gotland

Spisegeln östlich Gotland

Tag 4

Der Wind wurde nach dem schnellen Spiritt immer weniger und irgendwann war er dann ganz weg. Dies ist insbesondere Nachts problematisch, da dann der Autopilot mich nicht mehr ruhig durch die Nacht steuern kann und ich – statt alle 20 Minuten die üblichen Checks – Ausguck, Segelstellung, Kurs etc. zu machen im Cockpit bleiben und das Boot selbst fahren muss bzw. darauf warte, dass der Wind – aus welcher Richtung auch immer – zurück kommt. Nach 3 Stunden war das dann der Fall und ich konnte unter Code0 endlich ruhig schlafen.

Am morgen konnte dann vom Code0 wieder auf den großen Spi gewechselt werden und da ich das noch im Nachtzeug-äh-Trockenanzug mit darunter liegender Woll- und Fließschicht machte, war ich danach auch gut durchgeschwitzt. Zeit also für eine Morgendusche incl. Haarwaschen etc. wozu ich nach den Seewassereimern noch einen Eimer meines üppig bemessenen Trinkwasservorrates hinterherschickte.

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Man schläft im Trockenanzug …

Der weitere Tag verging dann zu Beginn mit ruhigem aber trotzdem zügigen Segeln unter Spi nach Nordosten und am Nachmittag folgte statt der angesagten Verstärkung ein starkes Abflauen und irgendwann ging es nur noch mit 3kn weiter was aber glücklicherweise auch nicht ewig währte. Insbesondere auf sehr langen Fahrten freut man sich über solche langsamen Etappen überhaupt nicht.

Die folgende Nacht verlief unspektakulär auch wenn ich mich natürlich schon sehr auf das Bergfest freute, was ich am kommenden Tag haben sollte.

Tag4

Tag 4 Gotland nach Norden

Tag 5

Gegen Mitternacht erreichte ich das erste VTG und gegen 08:45 war auch das letzte VTG in der Einfahrt zum Finnischen Mehrbusen passiert. Eine Menge Verkehr, dem ich aber durch das Fahren außerhalb des VTGs aus dem Weg ging und den ich (und sie mich) dank AIS auch gut im Blick hatte.

Ajax-3

Tonne Ajax vor Finnland

In – für Mini-Verhältnisse – Schleichfahrt von 4-5kn ging es unter Spi zur Tonne Ajax vor Hanko die ich um 12:10 erreichte und die meinen Wendepunkt bildete. Es gibt da eine Menge schöner, teilweise winziger Inseln doch sollte ich ja nonstop den Kurs absegeln, weshalb all die schönen Orte unbesucht blieben.

Tag5

Tag 5 Rundungen von Ajax und Suomen Leijona

Laut Gribfiles sollte der Wind im Laufe des Nachmittags von West auf Nord drehen und mächtig zunehmen. Das wäre natürlich ein Fest doch da die Gribfiles selten stimmten, mochte ich mich bis zum Eintreffen noch nicht ganz so deutlich darüber freuen. Aber es kam wirklich so. Gegen 16..17:00 hatte ich den Wind aus etwa 100 Grad der auch stetig zulegte und ich konnte mit Code0 nach Westen zum Leuchtturm Sumen Leijona segeln – der letzten Wegmarke im Norden – die ich kurz nach Mitternacht erreichte.

Suomen_Leonija

Leuchtturm Suomen Leijona

Tag 6

Während der Wind bis zum Leuchtturm nur mäßige 16kn erreichte, folgte darauf in den kommenden 11h ein rasanter Ritt bei bis zu 28kn am Morgen gegen 06:00 . Während ich die ersten 20sm mit 9-12kn unter mittlerem Spi im Grenzbereich noch per Hand steuerte, musste ich danach meiner Müdigkeit Tribut zollen und wechselte auf den kleineren Code-0 der wesentlich besser durch den AP beherrscht wird. Das machte mich aber nur wenig langsamer da auch der Wind immer weiter zunahm und bald durchgehend über 20kn lag.

Nach einigen Schlaf-Wachphasen übernahm ich gegen 05:00 wieder das Kommando im Cockpit und es kamen immer schnellere Surfs zustande, die in der Spitze bei fast 20kn lagen. Inzwischen hatte ich nach dem ersten Sonnenschuss auch das 2. Reff eingebunden, denn nur so kann ich den Druck im Fathead-Gross bei achterlichen Winden los werden.

code0_2gotland

Schnell per Code0 nach Süden

Das ging dann so – unter langsam abnehmenden Wind – bis etwa 11:00 so weiter und da hatte ich bereits die Insel Gotska Sandön, ein Naturschutzgebiet nördlich Gotlands erreicht. Durch die schnelle Fahrt war ich um 18:00 vor Visby womit die schnelle Fahrt erst mal vorbei war, denn nun erwartete mich eine ca 100sm lange und mühsame Kreuz bis zur Südspitze von Öland. Diese erreichte ich erst am kommenden Tag gegen 21:00.

Tag6

Tag 6 Suomen Leijona => Gotland

Tag 7

Der Tag war durch das Kreuzen geprägt, was mit den 6,5m kurzen Minis ein mühsames und ungemütliches Geschäft ist und unter Regattabedingungen am ehesten mit Rodeoreiten vergleichbar ist. Wenn man einige Zehntel Knoten langsamer sein darf, dann kann man aber auch den AP im Windmode (zum scheinbaren Wind) steuern lassen und sich entweder auf dem Cockpitboden oder in der Kajüte hinlegen. Da sind dann die harten Bewegungen bei 20-30° Lage auch einigermaßen auszuhalten.

Tag7

Tag 7 Kreuz Gotland=>Öland

Durch die Landnähe hatte ich immerhin die Chance auf ein neues Gribfile, welches mir am Abend das Drehen des Windes auf Norden ankündigte und mich bis Bornholm bringen sollte. Damit verkürzte sich der Rückweg enorm, denn bei Wind um die 15kn und TWA 80-100° kann man prima unter dem Lieblingssegel der Mini-Piloten, dem Code-0 Strecke machen.

Die letzten Seemeilen vor der Südspitze schlief der Wind erst ein und drehte dann tatsächlich auf Nord, womit ich bei Leichtwind von schräg hinten gegen die alte Welle anstampfte. Die Bewegungen waren so hart, dass dabei die Schiene meines Baumniederholers aus dem Baum brach. Na ja, offensichtlich war das Schiff schon etwas müde und wollte auch Ruhe haben. Doch das ging ja noch nicht und so bastelte ich einen Notbehelf der an der Baumnock befestigt wurde. Bei inzwischen stärker gewordenem Wind konnte ich so sicher in die nächste Nacht fahren.

Tag 8

Noch in der Nacht musste der Code0 abgebaut werden und gegen 05:00 hatte ich das VTG nördlich von Bornholm fast erreicht. Das queren des Tiefwasserweges verlief trotz starkem Verkehrs – dank AIS – unproblematisch und um 09:40 war die Nordspitze Bornholms erreicht. Danach musste eigentlich nur noch das VTG südlich umfahren werden und dem direkten Weg nach Deutschland stand nichts mehr im Wege. Wirklich nichts ? Nun, der Wind wollte nicht die versprochene Nordkomponente haben, sondern blies direkt aus Westen und hielt sich auch nicht an die verabredeten/angesagten max. 20kn und damit war – statt eines Anliegers – wieder eine mühsame Kreuz bis Warnemünde angesagt, wobei der Wind bis zum Abend auf 30kn zulegte. Als dann auch noch der Arm des Antriebs meines Hauptpiloten brach – ein massives Stück Edelstahl – der NKE-Kursrechner auch den Ersatzantrieb wegen fehlenden Ruderwinkels nicht verwenden konnte (der Geber ist auf dem gebrochenen Arm befestigt) und die NMEA- Winddaten vom Ersatzpiloten (Raymarine-SPX5) nicht verwendet wurden – da anderes Symbol – beschloss ich die Reise in Sassnitz zu beenden, welches ich handsteuernd so halbwegs anliegen konnte. Den Pilot konnte ich im Kompassmode nur etwa 35° am scheinbaren Wind steuern lassen, wenn ich keine ungewollten Wenden zulassen wollte. Verbunden mit der inzwischen beachtlichen und sich teilweise schon brechenden Welle war dies ein sehr mühseliges Reiten und ich war heilfroh als ich nach 2 kurzen Schlägen vor der Kreideküste um 21:30 endlich Sassnitz erreicht hatte.

Tag8

Tag 8 => Sassnitz

Während die Windpfeile in den Bildern zuvor aus den Gribfiles stammten, hier die tatsächlich angetroffenen Daten:

True Wind Speed

Windgeschwindigkeit an Bord

TrueWind Direction

Windwinkel an Bord (TWA)

track_speed

Geschwindigkeit während der Fahrt

Procent Polar Speed

Performance ( % Polar)

Breakage_AP-Tillerarm

Gebrochener Antriebsarm (rechts)

End_Sassnitz

Festgemacht in Sassnitz

Fazit:

Es war eine relativ schnelle Reise, wobei sich aufgrund des wechselnden Wetters Flauten und Starkwindperioden sowie 2 stürmische Tage (Tage 6 und 8) abwechselten.

  • Gesegelte Strecke : 1100sm
  • Motorfahrt : 0sm
  • Duchschnittsgeschwindigkeit:  5,4kn
  • Maximalgeschwindigkeit : 19,7kn ( an Tag 6 mit Code-0, 2. Reff, Solent)
  • Verbrauch Methanol ca 8l
  • Gewichtsabnahme : ca 6kg

Bruch an Bord:

  • Niederholertravellerschiene am Baum : im alten Schwell herausgebrochen
  • Autopilotenarm gebrochen (am letzten Tag)

Und zu guter letzt – hier findet man das Video.